Ein Urteil rund um das Thema der Scheinselbstständigkeit hat in diesem Frühjahr das Landesarbeitsgericht Köln gefällt: In seinem Beschluss vom 8. Mai 2019 (9 Ta 31/19) wies es die sofortige Beschwerde eines beklagten Unternehmens gegen die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten zurück und bestätigte damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes Köln.
Externer Dienstleister oder Arbeitnehmer?
Warum ging es im konkreten Fall? (Quelle: https://www.justiz.nrw.de) Der Kläger war seit Oktober 2014 für ein Unternehmen tätig und stellte pro Stunde dafür 24 Euro zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung. Die Tätigkeit endete nach Streitigkeiten mit der Geschäftsführung. Er reichte daraufhin Klage beim Arbeitsgericht Köln ein und machte geltend, für das beklagte Unternehmen als Arbeitnehmer tätig gewesen zu sein. Dabei berief er sich auf eine mündliche Vereinbarung mit dem Geschäftsführer, wonach er im Rahmen eines Acht-Stunden-Tags in einer 40 Stundenwoche tätig gewesen sei. Seine Arbeitszeiten hätten montags bis freitags zwischen 8:00 Uhr und 18:00 Uhr gelegen. Die genauen Zeiten seien in einer digitalen Stempelkarte erfasst worden. Gearbeitet habe er vor allem in den Räumen des Unternehmens und dort ein eigenes Telefon, einen eigenen PC, eine eigene E-Mail-Adresse und eine Firmenvisitenkarte gehabt. Er sei dem Geschäftsführer direkt unterstellt gewesen und habe zu 90 Prozent auf seine direkten Weisungen hin gearbeitet. Seine Arbeitsleistung habe nur er selbst ohne eigene Mitarbeiter erbringen können.
Scheinselbstständigkeit oder freier Unternehmensberater?
Im Gegensatz dazu vertrat das Unternehmen die Ansicht, der Kläger sei als selbstständiger Unternehmensberater für einzelne Projekte tätig gewesen. Er habe keine festen Arbeitszeiten einhalten müssen und seine Arbeit nicht ausschließlich in seinen Büroräumen, sondern auch mit eigenen Arbeitsmitteln im Home Office erbracht. Auch sei er nicht weisungsgebunden gewesen, im Geschäftsverkehr nicht als Mitarbeiter aufgetreten. Soweit ihm eine Visitenkarte des Unternehmens überlassen worden sei und er die Unternehmens-E-Mail-Adresse und dessen Telefonanschluss genutzt habe, sei dies nur im Rahmen seiner Projektarbeiten geschehen. Kundenkontakt habe der Kläger nur gehabt, um eine Erfolgskontrolle seiner Beratungstätigkeit durchführen zu können. Deshalb rügte das Unternehmen mit seiner beim Arbeitsgericht eingelegten sofortigen Beschwerde, dass das Arbeitsgericht Köln fehlerhaft ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bejaht habe. Tatsächlich sei der Kläger ein beauftragter Dienstleister gewesen.
Das aber entschied das Landesarbeitsgericht Köln anders: Die sofortige Beschwerde der Beklagten hielt es für unbegründet. Zu Recht habe das Arbeitsgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht. Denn der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten. Die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen folgt somit bezüglich des Kündigungsschutzantrags aus § 2 Abs. 1Nr. 3 Buchst. b ArbGG und im Übrigen aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG iVm. § 3 ArbGG.
Wer ist Arbeitnehmer?
Arbeitnehmer ist, wer für einen anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (so schon BAG, Urteil vom 20. Januar 2010 – 5 AZR 99/09 -, Rn. 13, juris). In diesem Sinne war der Kläger für die Beklagte Arbeitnehmer und nicht als selbstständiger Dienstleister tätig. Der Kläger war in einer für ein Arbeitsverhältnis typischen Weise in das Unternehmen der Beklagten eingebunden.
Der Kläger hat in den Büroräumen des Unternehmens mit den zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln gearbeitet. Der „Außenauftritt“ des Klägers war damit gerade nicht auf eine selbständige Tätigkeit ausgerichtet. Dass er auch über ein Home Office verfügte, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht, weil abwechselnde Heim- oder Telearbeit im heutigen Arbeitsleben nicht untypisch ist.
Scheinselbstständigkeit bei fehlendem unternehmerischen Risiko
Aufgrund der vom Unternehmen bezahlten Rechnungen stand für das Gericht fest, dass der Kläger in einem zeitlichen Umfang für die Firma tätig war, der der üblichen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Dass der Kläger als Unternehmensberater im Rahmen einzelner Beratungsprojekte tätig war, ist den objektiven Umständen nicht zu entnehmen. Konkrete Projekte hat das Unternehmen nicht benannt. Für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht auch, dass der Kläger seine Arbeit immer persönlich erbracht und keine eigenen Mitarbeiter eingesetzt hat. Investitionen, die sich hätten amortisieren müssen, hat der Kläger nicht getätigt. Die benötigten Betriebsmittel wurden ihm im Wesentlichen von der Beklagten zur Verfügung gestellt. Einem nennenswerten unternehmerischen Risiko war er damit nicht ausgesetzt.