Kleinunternehmerregelung 2025: Das müssen Sie jetzt wissen!

by ina

Seit 1. Januar 2025 gelten in Deutschland und der EU tiefgreifende Änderungen bei der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung. Die Neuausrichtung, basierend auf der EU-Richtlinie (EU) 2020/285, bringt höhere Umsatzgrenzen, neue Regelungen für grenzüberschreitende Tätigkeiten und wichtige strategische Überlegungen für Unternehmer mit sich. Wir beleuchten alle relevanten Aspekte, damit Sie die neuen Gestaltungsmöglichkeiten optimal nutzen und Fallstricke vermeiden können.

Die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist für viele Gründer und nebenberuflich Selbstständige ein beliebtes Instrument zur Vereinfachung der Umsatzsteuerpflichten. Seit Anfang 2025 erfahren diese Regelungen durch das Jahressteuergesetz 2024, das die EU-Richtlinie (EU) 2020/285 in nationales Recht umsetzt, eine signifikante Modernisierung und Erweiterung. Ziel ist es, kleine Unternehmen weiter zu entlasten und den grenzüberschreitenden Handel im EU-Binnenmarkt zu erleichtern.

Kernänderungen für in Deutschland ansässige Kleinunternehmer seit 1. Januar 2025

Die wohl wichtigste Nachricht für viele Unternehmer in Deutschland sind die angepassten Umsatzgrenzen und die veränderte Systematik:

  1. Erhöhung der Vorjahresumsatzgrenze: Die maßgebliche Umsatzgrenze des vorangegangenen Kalenderjahres wird von bislang 22.000 Euro (brutto) auf 25.000 Euro (netto) angehoben. Die Umstellung von Brutto- auf Nettobeträge ist hierbei ein entscheidender Unterschied zur alten Regelung und bedeutet in der Praxis eine faktisch höhere Grenze.
  2. Neue Obergrenze für den laufenden Jahresumsatz: Die bisherige Prognosegrenze von 50.000 Euro für das laufende Kalenderjahr wird durch eine dynamische Obergrenze von 100.000 Euro (netto) ersetzt.
  3. Sofortiger Wechsel bei Überschreiten der 100.000-Euro-Grenze: Überschreitet der Gesamtumsatz im laufenden Kalenderjahr die Marke von 100.000 Euro netto, endet die Anwendung der Kleinunternehmerregelung unmittelbar mit dem Umsatz, der zum Überschreiten dieser Grenze führt. Ab diesem Zeitpunkt unterliegen die Umsätze der Regelbesteuerung. Die bis dahin erzielten Umsätze bleiben jedoch steuerfrei. Eine rückwirkende Besteuerung für das laufende Jahr findet also nicht statt, was eine deutliche Verbesserung und Klarstellung zur bisherigen Rechtslage darstellt.
  4. Von der Nichterhebung zur Steuerbefreiung: Systematisch ändert sich der Charakter der Kleinunternehmerregelung. Statt einer “Nichterhebung” der Umsatzsteuer handelt es sich ab 2025 um eine echte Steuerbefreiung. Dies hat zur Folge, dass Kleinunternehmer weiterhin keine Umsatzsteuer auf ihren Rechnungen ausweisen und im Gegenzug auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen können.
  5. Angepasste Rechnungsangaben: Aufgrund der systematischen Änderung müssen Kleinunternehmer ab 2025 auf ihren Rechnungen einen Hinweis auf die Steuerbefreiung gemäß § 19 UStG aufnehmen. Eine Formulierung könnte lauten: “Im ausgewiesenen Rechnungsbetrag ist gemäß § 19 UStG keine Umsatzsteuer enthalten.” oder “Steuerbefreit nach § 19 UStG.”
  6. Regelung für Neugründungen: Unternehmer, die ihre Tätigkeit neu aufnehmen, gelten im Gründungsjahr automatisch als Kleinunternehmer, bis die Umsatzgrenze von 100.000 Euro netto im laufenden Jahr überschritten wird. Eine Schätzung des Jahresumsatzes bezüglich der 25.000-Euro-Grenze entfällt für das Gründungsjahr.
  7. Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung: Die Möglichkeit, freiwillig zur Regelbesteuerung zu optieren, bleibt bestehen. Diese Entscheidung bindet den Unternehmer für fünf Jahre. Der Verzicht muss gegenüber dem Finanzamt erklärt werden.
  8. Wegfall der Umsatzsteuerjahreserklärung (Grundsatz): Eine bedeutende administrative Erleichterung ist der grundsätzliche Wegfall der Pflicht zur Abgabe der jährlichen Umsatzsteuererklärung für Kleinunternehmer, beginnend mit dem Besteuerungszeitraum 2024. Dies gilt jedoch primär für rein national tätige Kleinunternehmer. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten im EU-Ausland können andere Meldepflichten entstehen (siehe unten).
  9. Pflicht zum Empfang von E-Rechnungen: Obwohl Kleinunternehmer in der Regel nicht zur Ausstellung elektronischer Rechnungen (E-Rechnungen) verpflichtet sind, müssen sie ab dem 1. Januar 2025 in der Lage sein, E-Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten.

Größte Änderung: Grenzüberschreitende Kleinunternehmerregelung innerhalb der EU (§ 19a UStG)

Die wohl größte Neuerung ist die Einführung einer Regelung für Kleinunternehmer, die grenzüberschreitend innerhalb der Europäischen Union tätig sind. Dies wird im neuen § 19a UStG verankert.

  1. Anwendung der deutschen Regelung im EU-Ausland: In Deutschland ansässige Kleinunternehmer können die Steuerbefreiung nach § 19 UStG unter bestimmten Voraussetzungen auch für Lieferungen und sonstige Leistungen in Anspruch nehmen, die in anderen EU-Mitgliedstaaten steuerbar sind. Voraussetzung hierfür ist, dass der gesamte, vom Unternehmer in der gesamten EU erzielte Jahresumsatz 100.000 Euro netto nicht übersteigt.
  2. Registrierung und Meldung über das BZSt: Um diese unionsweite Regelung nutzen zu können, müssen sich deutsche Kleinunternehmer beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) über das BZStOnline-Portal (BOP) für dieses spezielle Verfahren registrieren. Sie erhalten dann eine gesonderte Identifikationsnummer. Die im EU-Ausland erzielten Umsätze, für die die Befreiung in Anspruch genommen wird, müssen quartalsweise an das BZSt gemeldet werden.
  3. Voraussetzungen im Bestimmungsland: Wichtig ist hierbei zu beachten, dass die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung im anderen EU-Mitgliedstaat auch davon abhängt, dass die dort geltenden nationalen Voraussetzungen für Kleinunternehmer erfüllt sind. Die EU-Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten, eigene nationale Umsatzschwellen für die Kleinunternehmerregelung festzulegen (bis zu 85.000 Euro oder Äquivalent). Ein deutscher Unternehmer kann also die Befreiung im EU-Ausland nur dann nutzen, wenn sein EU-weiter Umsatz unter 100.000 Euro liegt UND der Umsatz im jeweiligen Bestimmungsland dessen nationale Schwelle nicht übersteigt bzw. das Bestimmungsland die Befreiung für nicht dort ansässige Kleinunternehmer unter diesen Bedingungen gewährt.
  4. Regelung für ausländische Kleinunternehmer in Deutschland: Umgekehrt können auch Kleinunternehmer, die ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben, in Deutschland von der Umsatzsteuer befreit werden, wenn ihr unionsweiter Jahresumsatz 100.000 Euro netto nicht übersteigt und sie die deutsche Umsatzgrenze von 25.000 Euro (Vorjahresumsatz) nicht überschreiten und die 100.000 Euro Grenze im laufenden Jahr nicht reißen. Für im Drittland ansässige Unternehmer gilt diese Regelung nicht.

Strategische Überlegungen und Handlungsbedarf für Unternehmer

Die Neuregelungen bieten Chancen, erfordern aber auch eine genaue Prüfung und gegebenenfalls Anpassungen:

Vorteile der neuen Regelung:

Höhere Umsatzgrenzen: Mehr Unternehmen können von der Vereinfachung profitieren.
Weniger Bürokratie: Wegfall der Umsatzsteuer-Voranmeldungen und im Regelfall der Jahreserklärung (national).
Preisvorteil bei Privatkunden (B2C): Da keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird, können Produkte/Dienstleistungen günstiger angeboten werden.
Erleichterter EU-Handel: Die neue EU-weite Regelung kann den Markteintritt in andere EU-Länder vereinfachen.

Nachteile und zu bedenkende Aspekte:

Kein Vorsteuerabzug: Der größte Nachteil bleibt bestehen. Gezahlte Vorsteuer auf betriebliche Ausgaben kann nicht geltend gemacht werden. Dies ist besonders relevant bei hohen Anfangsinvestitionen oder einem großen Anteil an Geschäftskunden (B2B), die die Vorsteuer ihrerseits abziehen könnten.
Image: Vereinzelt kann die Ausweisung als Kleinunternehmer im B2B-Bereich als weniger professionell wahrgenommen werden.
Überwachung der Umsatzgrenzen: Die dynamische 100.000-Euro-Grenze erfordert eine engmaschige Überwachung der Umsätze, um nicht unerwartet in die Regelbesteuerung zu wechseln. Dies gilt sowohl für den nationalen als auch den EU-weiten Umsatz.

Handlungsbedarf für Unternehmer

  1. Umsatzplanung und -überwachung: Prüfen Sie Ihre aktuellen und prognostizierten Umsätze (netto!) im Hinblick auf die neuen Grenzen. Implementieren Sie ein System zur laufenden Überwachung, insbesondere der 100.000-Euro-Grenze.
  2. Rechnungsstellung anpassen: Aktualisieren Sie ab dem 01.01.2025 Ihre Rechnungsvorlagen mit dem korrekten Hinweis auf die Steuerbefreiung nach § 19 UStG.
  3. Prüfung der Option zur Regelbesteuerung: Wägen Sie sorgfältig ab, ob die Kleinunternehmerregelung für Ihr Geschäftsmodell (Kundenstruktur, Ausgaben mit Vorsteueranteil) weiterhin sinnvoll ist oder ob eine Option zur Regelbesteuerung vorteilhafter wäre.
  4. Grenzüberschreitend tätige Unternehmen: Informieren Sie sich detailliert über das neue Meldeverfahren beim BZSt, wenn Sie die EU-weite Regelung nutzen möchten. Prüfen Sie die Voraussetzungen in den jeweiligen Zielländern.
  5. AGB und Systemanpassungen: Online-Händler und andere Unternehmer mit standardisierten Prozessen sollten ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und IT-Systeme (Warenwirtschaft, Shop-Software) an die neuen Gegebenheiten anpassen.
  6. Steuerliche Beratung einholen: Angesichts der Komplexität, insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, ist eine individuelle Beratung durch einen Steuerberater dringend zu empfehlen.

Die Neuausrichtung der Kleinunternehmerregelung seit Janur 2025 ist ein bedeutender Schritt zur Verwaltungsvereinfachung und Förderung kleiner Unternehmen in Deutschland und der EU. Die höheren und nun netto-basierten Umsatzgrenzen im nationalen Bereich sowie die erstmalige Einführung einer praktikablen EU-weiten Regelung bieten viele Vorteile. Gleichzeitig erfordern die Änderungen, insbesondere die dynamische 100.000-Euro-Grenze und die neuen Meldepflichten für grenzüberschreitende Umsätze, eine proaktive Auseinandersetzung und sorgfältige Planung der Unternehmer.

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